Lothar Götz
Crash
27. April 2012 bis 10. März 2013

Ausgangspunkt von Lothar Götz´ geometrisch-abstrakten Zeichnungen, Gemälden und ortsspezifischen Arbeiten ist die Architektur. Seine Werke spiegeln ebenso die Auseinandersetzung mit charakteristischen Merkmalen von Räumen wie mit der ihnen zugrundeliegenden konzeptionellen Idee, die sich in der Struktur der Architektur manifestiert. Neben der konkreten Inspiration durch die räumlichen Gegebenheiten ist die Gestaltung seiner Wandarbeiten zuweilen durch filmische oder literarische Assoziationen beeinflusst, die Räume und Orte bei ihm auslösen. Zu der Wandmalerei Winterreise in der Joan Miró Foundation (Barcelona, 2010) beispielsweise inspirierten Lothar Götz Ortsbeschreibungen aus Thomas Manns Zauberberg, an die er sich durch Lage und Umgebung des Museums erinnert fühlte. Umgekehrt kann auch die Beschäftigung mit Literatur Basis der malerischen Gesamtkomposition sein, wie bei dem Haus für Bernhard Landauer (Remscheid, 2011), das einem der Protagonisten des Romans Goodbye Berlin von Christopher Isherwood gewidmet ist, oder die Auseinandersetzung mit nie verwirklichlichten Architekturprojekten, wie etwa mit dem futuristischen Entwurf eines Funkturms des schwedischen Malers und Bildhauers Olle Baertling (1911–1981) (Düsseldorf, 2009).
Lothar Götz studierte an der Fachhochschule Aachen, der Bergischen Universität Wuppertal, der Kunstakademie Düsseldorf und dem Royal College of Art, London. Er erhielt mehrere Stipendien, darunter das renommierte Abbey Fellowship der British School, Rom (2010) sowie das Cocheme Fellowship des Central Saint Martins College of Art and Design (2006). Seit 2001 ist Götz als Dozent für Malerei an der Universität Sunderland tätig sowie als Gastdozent an weiteren Universitäten in England. Im öffentlichen Raum gestaltete er unter anderem die U-Bahn Station Haymarket Newcastle und Piccadilly Circus London (2010/2006).
Die Faszination für Architektur ist grundlegend für Götz´ Arbeitsweise. Durch das Aufgreifen baulicher Details mittels Form und Farbe verleiht er den Räumen ein neues Gesicht und unterstreicht zugleich ihre Identität sowie ihre architektonische Spezifik. In der für die Projektreihe „Stufen zur Kunst“ entwickelten Arbeit mit dem Titel „crash“ erstrecken sich präzise aneinandergesetzte Dreiecke in unterschiedlicher Farbigkeit und Formation auf zwei Wänden über die gesamte Höhe des Treppenhauses der Stiftung Niedersachsen. Scharfe Malkanten und ein schablonenartiger Farbauftrag kennzeichnen die monochromen geometrischen Formen. Die teils in kraftvoller, teils in sanfter Farbigkeit gestalteten Dreiecke fächern sich strahlenförmig in unterschiedliche Richtungen auf und lenken den Blick des Betrachters in vorbestimmte Bahnen.
Mittels Wiederholungen gelingt Götz Vielfalt durch Variation: Farben und Formen werden immer wieder aufgegriffen, modifiziert und neu kombiniert, als befinde sich die Gesamtkomposition in einem fortwährenden Prozess der Wandels. In Relation zu den vorhandenen Etagen und architektonischen Merkmalen wie Raumvorsprüngen und Treppenabsätzen wird die vertikale Architektur des Treppenhauses in horizontale Abschnitte mit verschiedenen Fluchtpunkten untergliedert. Der Wechsel der Blickachsen erzeugt eine sogartige Dynamik, so dass der Betrachter beim Begehen des Treppenaufgangs regelrecht hinauf- oder hinabgezogen wird. Verstärkt durch die unterschiedliche räumliche Wirkung des Zusammenspiels von Farbflächen schwindet die klare Ordnungsstruktur zugunsten rhythmischer Bewegung und Gegenbewegung. Der Titel „crash“ verweist auf dieses für die Arbeit charakteristische Aufeinandertreffen verschiedener Blickachsen und die kaleidoskopartige Zersplitterung der Farbformationen, die mit einer Dynamisierung der Raumwahrnehmung einhergeht.
In „crash“ kennzeichnet jeden Treppenabsatz ein anders facettenreiches Bild, das sowohl als autonomes Einzelbild wie als Bestandteil der Gesamtkomposition funktioniert. Die unterschiedliche Farbgebung verleiht jedem Absatz eine eigene Identität, die variantenreiche Wiederholung von Mustern und Farbgebung unterstreicht die strukturelle Einheit der vitalen Raumkomposition.